kunst & text


Es war ein Brikett


Es war ein Brikett, ein großes Genie,

Das Philosophie studierte
Und später selbst an der Akademie
Im gleichen Fache dozierte.

 

Es sprach zur versammelten Briketterie:
"Verehrliches Auditorium,
Das Leben - das Leben - beachten Sie -
Ist nichts als ein Provisorium."

 

Da wurde als ketzerisch gleich verbannt
Der Satz mit dem Provisorium.
Das arme Brikett, das wurde verbrannt
In einem Privatkrematorium.

 

Joachim Ringelnatz  (1883-1934)



Unsere Zeit


Nun sind die ellenlangen Haare grau.
Und immer find’ ich sie in unserm Bett.
Ein Traum von dir hat sie mir ausgerauft.
Ein Traum in unserm Bett.


Noch immer schwimm’ ich gern mit dir
in kalten und in trüben Seen.
Ich schluck’ das selbe Wasser
und lern’ mit dir darüber geh’n



Widerrede oder Die zweite Todsünde eine Polemik

 

Ist eine Wohnung das gleiche wie ein Auto?

 

Die Frage wurde durch einen Richter am Anfang einer Verhandlung, in der es letztendlich um die Räumung einer Wohnung geht, mit "Ja" beantwortet.

In einem Auto hab ich keine vier Söhne gezeugt, habe nicht drei von ihnen gefüttert, erzogen, hab' mich nicht gestritten und nicht an ihren Betten gesessen, wenn sie krank waren. Ich hab in keinem Auto Freunde empfangen.

 

Eine Wohnung ist also eine Sache wie ein Auto oder ein alter Schuh?

 

Das mag de jure richtig sein, de facto ist eine Wohnung deutlich mehr. Alle Teile einer Kuh sind keine Kuh wie man weiß.

Und für Geld, für die Gier Einzelner viele ins Unglück zu stürzen scheint hoffähig zu sein, in unserer modernen deutschen Gesellschaft. Das Grundgesetz wird genüsslich zitiert und etwas belächelnd bemerkt, dass die verpflichtende Eigenschaft des Eigentums so nun doch nicht gemeint sei.

 

Wer tut so was?

 

König Midas kauft heute Wohnungen, Häuser, Grundstücke. Es wird keinen Fluss für ihn geben und niemanden der ihn füttert. Da bin ich mir sicher.

Man tanzt um das goldene Kalb. Noch glaubt keiner an die Rückkehr der Vernunft. Aber schon jetzt ist klar, die Regeln werden zerschlagen, müssen zerschlagen werden. Dann können die Tänzer nur Hoffen. Worauf auch immer.

 

Wer wiegt hier ab? Wer ist hier der wahre Richter?

 

מנא ,מנא, תקל, ופרסין

 

Wessen Reich wird geteilt?

 

Wer der Meinung ist, dass man für Geld alles haben kann, gerät leicht in den Verdacht, dass er für Geld alles zu tun bereit ist. Benjamin Franklin

 

Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier. Mahatma Gandi

 

Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug. Epikur von Samos

 

Geld allein macht nicht glücklich. Es gehören auch noch Aktien, Gold und Grundstücke dazu. Danny Kaye

 

Nicht wer wenig hat, sondern wer viel wünscht, ist arm. Lucius Annaeus Seneca

 

Es gibt Leute, deren Herzen gerade in dem Grad einschrumpfen, als ihre Geldbörsen sich erweitern. Johann Nestroy

 

Das Geld zieht nur den Eigennutz an und verführt stets unwiderstehlich zum Missbrauch. Albert Einstein

 

Je reicher einer ist, desto leichter ist es für ihn, ein Lump zu sein. Gilbert Keith Chesterston

 

Die Kunst des schönen Gebens wird in unserer Zeit immer seltener, in demselben Maße, wie die Kunst des plumpen Nehmens, des rohen Zugreifens täglich allgemeiner gedeiht. Heinrich Heine

 

Habgier im Alter ist eine Narrheit. Vergrößert man denn seinen Reiseproviant, wenn man sich dem Ziel nähert? Marcus Tullius Cicero

 



Ohne Bäume viel Nichts

Kein Blütenregen auf die Geliebte.

Keine Kastanien zum Basteln.

Kein wildes Rauschen bei Wind.

Kein Rascheln von Kinderfüßen im Laub.

Kein Schatten in der Hitze.

Kein gemütlicher Biergarten bei Durst.

Kein Baum zum Unterstellen.

Kein zartes Grün zum Ersten Mai.

Kein Stamm zum Verstecken.

Kein Ast für die Schaukel.

Kein Zweig für ein Nest.

Kein Krach von Vögeln.

Keine Buchen zum Suchen.

Keine Eichen zum Weichen.

Kein Holz für das Knäckerchen.

Noch Was?

Leere!

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Römische Nacht


Heute Nacht war unsere Wohnung wie eine

Villa in Rom.

Alle Türen offen drang Lichtgeschimmer

aus Raum in Raum in Raum in Raum und

das Kind im Nachtschweiß erwachte.

Das alte Holz unter den Füßen verriet mein

Gehen und nur der Wind war kalt und aus

dem hier.

So viel Süden war nie im Norden und mein

Traum ließ sich fassen und gesagt werden

– hätt’ ihn Dir gebeichtet, gesungen den

Alb.

Aber auch Du unruhig auf weissem Tuch

sich schwimmend bewegend durch Nacht

hattest Wege vor Dir und Nacht und Nacht

und Nacht und Morgen.

18. II. 01